Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmache?

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Ohne
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Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmache?

Beitrag von Ohne »

Hallo!
Ich weiß nicht, ob das hier schon thematisiert wurde, da ich nichts gefunden habe und das sehr spannend finde, mache ich mal ein Thema dazu auf.

Bevor gleich die Panik ausbricht: der erste Artikel, den ich verlinke, übertreibt (denke ich), die Studie, die dort erwähnt wird und in der das ganze etwas anders formuliert wird, verlinke ich drunter.

Ich war vorhin kurz etwas schockiert, als ich folgenden, älteren Artikel entdeckt habe:
http://www.lindenberg-apotheke.de/apo_t ... /2101.html" target="blank

Vor allem der Schluss hat mir zu denken gegeben: "Ob tatsächlich eine der Frauen zwei Eisprünge hatte, ließ sich nicht klären, da das wesentlich kleinere Ei selbst nicht zu erkennen war. Die Ergebnisse könnten jedoch erklären, so Roger Pierson von der Universität Saskatchewan, „warum natürliche Familienplanung oft versagt“."

Mich hat das dann nicht losgelassen, deswegen habe ich nach der Studie selbst gesucht und sie auch gefunden, hier der Link dazu:
http://www.fertstert.org/article/S0015-0282(03" target="blank)00544-2/fulltext#Results

Prinzipell geht es dabei erstmal nur um die Reifung der Follikel, die wohl in mehreren Wellen - zwei oder drei pro Zyklus - stattfindet. Folgender Satz hat mich dann beruhigt (aber nicht zu 100%, wie ihr daran merkt, dass ich das hier thematisiere ;)):
"Thirty-four of the 50 women (68%) exhibited two waves of follicle development; the remaining 16 women (32%) exhibited three waves of follicle development. The final wave of the cycle was ovulatory and the preceding waves were anovulatory in all 50 women."
Es haben also zwar alle untersuchten Frauen mehrere Wellen der Eireifung erlebt, ein Eisprung konnte aber nur bei der jeweils letzten dieser Wellen festgestellt werden.

Trotzdem frage ich mich nun, ob es nicht doch Fälle geben könnte, in denen schon eine der ersten Wellen zu einem Eisprung führen könnte und die spätere Welle dann nochmal...womit es dann zwei Eisprünge im gleichen Zyklus mit mehreren Tagen Abstand geben könnte und man möglicherweise den ersten mittels NFP auswertet und den zweiten verpasst.

Ich will niemandem Angst machen, da es mir doch eher unwahrscheinlich zu sein scheint, dass mehrere Eisprünge stattfinden und die Daten, die bisher dazu gesammelt wurden ja eher dagegen sprechen, dass es überhaupt ungewollte Schwangerschaften mit NFP gibt, die nach abgeschlossener Auswertung entstanden sind. Es würde mich trotzdem interessieren, ob jemand noch mehr dazu weiß oder es möglicherweise sogar Expert*innennmeinungen dazu gibt - Ich hab auch schon überlegt, den Leuten, die dazu an der Uni Heidelberg forschen, zu schreiben. Die müssten die Studie ja kennen. Aber vielleicht seid ihr ja auch schon längst schlauer als ich. ;)
iSprung
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Re: Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmach

Beitrag von iSprung »

Ohne hat geschrieben:Trotzdem frage ich mich nun, ob es nicht doch Fälle geben könnte, in denen schon eine der ersten Wellen zu einem Eisprung führen könnte und die spätere Welle dann nochmal...womit es dann zwei Eisprünge im gleichen Zyklus mit mehreren Tagen Abstand geben könnte und man möglicherweise den ersten mittels NFP auswertet und den zweiten verpasst.
Ich probiere mal, mich kurz zu fassen, ja?
Die Antwort auf Deine Frage, ob bei den Eizellreifungswellen im Abstand mehrerer Tage separat Ovulationen geschehen können, lautet nein. Es ist auch falsch, dass Ovulationen "im Abstand mehrerer Tage" Grund für das Scheitern natürlicher Familienplanungsmethoden seien, schließlich gibt es solche ja nicht. Aus folgendem Grund: Die hohen Progesteronkonzentrationen, die von dem nach der Ovulation zurückbleibenden Gelbkörper produziert werden, setzen einen negativen Rückkopplungsmechanismus in Gang, der jede weitere Ovulation unterdrückt. Genauer: Durch diese Rückkopplung wird die Gonadotropinfreisetzung aus der Hypophyse blockiert, d.h. es kann in der Lutealphase, während derer der Progesteronspiegel aufgrund des Gelbkörpers ausreichend hoch ist, gar keine weitere Ovulation mehr geben. Es liegt tatsächlich absolute Infertilität vor und das stimmt auch mit den Studienergebnissen, welche besagen, dass die postovulatorische unfruchtbare Zeit im Rahmen von sensiplan (bzw. den Vorläufer-Versionen davon) absolut sicher unfruchtbar ist, überein. Das heißt, dass in den Tausenden von Anwendungszyklen, die zur Erhebung der Sicherheit der Methode herangezogen wurden, keine einzige Schwangerschaft eingetreten ist, die auf ungeschützten GV in der nach den Regeln postovulatorisch unfruchtbaren Zeit zurückzuführen wäre.

Können Frauen nun mehrere Eisprünge in einem Zyklus haben? Ja, können sie, sonst gäbe es ja keine zweiigen Zwillinge u.ä. Diese Mehrfach-Ovulationen liegen dann aber nur wenige Stunden auseinander. Denn sobald der oben angesprochene Rückkopplungsmechanismus in Gang gesetzt ist, ist mit der Eizellreifung erst einmal wieder Schicht im Schacht, bis der Gelbkörper zum Ende des Zyklus hin verkümmert und der Progesteronspiegel wieder abfällt.

Warum verfallen Menschen nun auf die Idee, natürliche Familienplanungsmethoden würden an Mehrfach-Ovulationen scheitern? Keine Ahnung, vielleicht, weil nicht genau nach den methodischen Mängeln der vielen "natürlichen" Methoden, die es gibt, geschaut wird und deren Versagen dann vorschnell auf "Mehrfach-Ovulationen" geschoben wird. Als Beispiel fiele mir zum Beispiel die Billings-Methode ein, bei der lediglich der Zervixschleim beobachtet wird. Je nach dem, über welchen Zeitraum sich die Eizellreifungs-Wellen ausdehnen, kann es problemlos zu mehreren Schleimhöhepunkten während eines Zyklus kommen. Wenn die Methode aber grundsätzlich davon ausgeht, dass der Eisprung nach dem ersten Schleimumschwung durch ist, und eine Frau dann, sobald es einen Umschwung gab, ungeschützten Geschlechtsverkehr hat, sind unvorhergesehene Schwangerschaften schon irgendwie vorprogrammiert. Liegen die dann daran, dass die Frau in Wirklichkeit zwei oder mehr Ovulationen in mehreren Tagen Abstand hatte? Nein. Die Prämisse, dass ein Schleimumschwung eindeutig auf einen Eisprung hindeutet, war einfach falsch. Selbiges gilt für "natürliche" Verhütung durch bloßes Anwenden von Ovulationstests. Gerade weil die Eizellreifung wellenförmig verläuft, können LH-Tests während eines Zyklus mehrfach anschlagen, sodass von positiven Ovulationstests auch nicht zwingend auf einen Eisprung geschlossen werden kann. Von der Kalendermethode als "natürlicher" Familienplanungsmethode fange ich an dieser Stelle gar nicht erst an. Fazit ist: Es gibt etliche "natürliche" Familienplanungsmethoden, die sich in ihrer Sicherheit bisweilen drastisch voneinander unterscheiden. Wichtig für einen selbst ist einfach, die Spreu vom Weizen trennen zu können.

Wenn Du Dich sehr für die medizinischen Grundlagen von sensiplan interessierst und auch gerne etwas fachlichere Lektüre liest, kann ich Dir das Buch "Natürliche Familienplanung heute" nur ans Herz legen. Das Buch enthält eine komplette Abhandlung über die physiologischen Grundlagen symptothermaler Verhütung, die sensiplan-Regeln und vieles mehr. Solltest Du Studentin sein, hast Du vielleicht die Möglichkeit, über Deine Universität auf eine elektronische Version des Buchs zuzugreifen.
Zuletzt geändert von iSprung am Montag 26. Dezember 2016, 18:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Ohne
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Re: Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmach

Beitrag von Ohne »

Danke für deinen Beitrag! Einiges war mir so schon klar, allerdings noch nicht - auch wenn ich das irgendwo schon mal geselen haben - dass manche Methoden nur den ZS (oder das LH) beachten, und das möglicherweise das der Grund sein könnte, warum dieser Wissenschaftler im ersten, deutschsprachigen Artikel andeutet, dass seine Erkenntnisse eine Erklärung dafür sein könnten, warum Natürliche Familienplanung scheitert.
Das liest sich nämlich in dem Artikel finde ich so, als würde die Methode scheitern, weil es mehrere Eisprünge gibt. Das Zitat ist ja sowieso total isoliert, ich war eh schon skeptisch. Mit deiner Erklärung wird es klarer: mehrere Wellen der Follikelreifung könnten zu mehreren ZS-Höhepunkten führen und eine Methode, die nur diese beachtet ist somit fehleranfällig. Gleiche Sache bei Ovulationstests.
Wer diesen Artikel ohne das Hintergrundwissen (und ohne die eigenliche Studie anzuschauen) liest ist natürlich gleich erstmal abgeschreckt.
Trotzdem spannende Sache. :)
iSprung
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Re: Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmach

Beitrag von iSprung »

Ohne hat geschrieben:Wer diesen Artikel ohne das Hintergrundwissen (und ohne die eigenliche Studie anzuschauen) liest ist natürlich gleich erstmal abgeschreckt.
Ich habe die Studie jetzt gar nicht gelesen, ehrlich gesagt, nur das Fazit. :lol:
Aber Hintergrundwissen hilft beim Lesen solcher Artikel natürlich immer.

Und ja, ich denke, dass der wesentliche Punkt ist, dass "natürliche Familienplanungsmethode" nicht gleich "natürliche Familienplanungsmethode" ist. Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Regelwerken oder privaten Mauscheleien, die alle mehr oder weniger mit methodischen Schwachstellen versehen sind. Wenn da nicht differenziert wird, kann man schnell zu komischen Schlussfolgerungen gelangen. Bei sensiplan ist die "Sicherheitslücke" z.B. die Bestimmung der unfruchtbaren Zeit am Zyklusanfang. Eine verzögerte Eizellreifung (auch mit mehreren Schleimhöhepunkten) ist hingegen kein Problem, da zusätzlich zu einem Östrogenzeichen noch die Temperatur beobachtet wird.
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Ohne
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Re: Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmach

Beitrag von Ohne »

iSprung hat geschrieben: Wenn Du Dich sehr für die medizinischen Grundlagen von sensiplan interessierst und auch gerne etwas fachlichere Lektüre liest, kann ich Dir das Buch "Natürliche Familienplanung heute" nur ans Herz legen. Das Buch enthält eine komplette Abhandlung über die physiologischen Grundlagen symptothermaler Verhütung, die sensiplan-Regeln und vieles mehr. Solltest Du Studentin sein, hast Du vielleicht die Möglichkeit, über Deine Universität auf eine elektronische Version des Buchs zuzugreifen.
Danke für den Tipp - bin gar nicht auf die Idee gekommen nachzuschauen, ob meine Uni das hat. Gab es und habs gleich runtergeladen und werde jetzt anfangen zu lesen.
iSprung
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Re: Mehr als ein Eisprung(in größerem Abstand)-nur Panikmach

Beitrag von iSprung »

Ohne hat geschrieben:Danke für den Tipp - bin gar nicht auf die Idee gekommen nachzuschauen, ob meine Uni das hat. Gab es und habs gleich runtergeladen und werde jetzt anfangen zu lesen.
Viel Spaß beim Lesen! :)
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