Pearl-Index
Unterschiede zwischen Methodensicherheit und Gebrauchssicherheit & was der Pearl-Index nicht berücksichtigt
Der Pearl-Index wird so berechnet: 100 Frauen verhüten ein Jahr lang mit einem bestimmten Verhütungsmittel. Am Ende des Jahres wird gezählt, wieviele davon ungewollt schwanger geworden sind.
Ein PI von 1 besagt: Eine von 100 Frauen ist ungewollt schwanger geworden.
Ein PI von 0,5 bedeutet: Nur eine von 200 Frauen ist ungewollt schwanger geworden.
Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer das Verhütungsmittel. Der Pearl-Index ist schön einfach zu verstehen und vermutlich deshalb so beliebt.
Manche drehen den Pearl-Index einfach um und geben die Sicherheit in Prozent an. Ein Pearl-Index von 2 würde bedeuten, dass das Verhütungsmittel zu 98 % sicher ist.
Inhalt dieses Artikels
Nachteile des Pearl-Index
Die folgenden Fragen kann der Pearl-Index nicht beantworten, obwohl sie zur Verhütung wichtig sind:
- Wurden Fehler in der Anwendung gemacht? Beispielsweise ein Kondom zweimal verwendet oder die Pille mehrfach vergessen?
- Wieviel Sex hatten die Frauen eigentlich in dem Jahr und wieviele Frauen wurden beobachtet? Wer ein Jahr lang 3x am Tag Sex mit Kondomen hat, erlebt eher eine Kondompanne als jemand, der nur alle 6 Monate Sex hat.
- Wie zufrieden waren die Frauen mit dem Verhütungsmittel?
- Wie kompliziert ist das Verhütungsmittel?
- Wie sieht die Langzeitsicherheit und Motivation aus, beispielsweise nach 5–10 Jahren?
Daher wird der Pearl-Index in zwei Kategorien aufgeteilt. Das beantwortet die Fragen zumindest teilweise.
Methoden- und Gebrauchssicherheit
- Der Pearl-Index der Verhütungsmethode bei perfekter Anwendung, auch perfect-use, Methoden-PI oder Methodensicherheit genannt.
- Der PI, wenn Anwendungsfehler mit eingerechnet werden (imperfect-use, Anwendungs-PI oder Gebrauchssicherheit).
Diese Unterscheidung sollte jeder Mensch aus zwei Gründen kennen.
Erstens zeigt sie, wie kompliziert eine Verhütungsmethode ist. Angenommen, ein Verhütungsmittel kommt in der Theorie auf eine Methodensicherheit von 0,3. In der Praxis aber erzielt es lediglich eine Gebrauchssicherheit von 7, dann ist die Verhütungsmethode so kompliziert, dass man sie kaum richtig anwenden kann.
Methodensicherheit und Gebrauchssicherheit sollten eng beieinander liegen.
Nur dann ist gewährleistet: Man kann kaum Fehler machen – die Methode ist trotzdem sicher.
Zweitens zeigt die Unterscheidung, welche Sicherheit überhaupt erzielt werden kann. Motivation spielt eine außerordentlich wichtige Rolle bei der Verhütung. Anwendungsfehler kommen häufiger vor, wenn jemand einen latenten Kinderwunsch hat, oder es mit der Verhütung locker nimmt.
Wenn du gewissenhaft verhütest und dich mit dem Verhütungsmittel auseinandersetzt, erzielst du eine hohe Gebrauchssicherheit, die an das ideal der Methodensicherheit heranreicht.
Schwankungsbreite des Pearl-Indexes
Manche Verhütungsmethoden werden mit einer großen Schwankungsbreite im Pearl-Index angegeben. Beispielsweise Kondome. Pro Familia gibt die Sicherheit von Kondomen mit einem PI von 2–12 an.
2–12, was soll das überhaupt heißen? Sowas wie: Kondome sind relativ sicher, aber irgendwie auch unsicher. Allerdings ist es doch ein deutlicher Unterschied, ob nur 2 Frauen pro Jahr ungewollt schwanger werden oder gleich 12. Was ist nun richtig?
Solche Schwankungen kommen zustande, weil Studien auf unterschiedliche Weise und unterschiedlich gut durchgeführt werden.
Eigentlich ist es bei Kondomen ganz einfach: Je besser du dich damit auskennst, desto sicherer sind sie. Die richtige Größe und genügend Feuchtigkeit erhöhen die Sicherheit deutlich.
Berücksichtigt eine Studie vor allem Paare, die sich mit Kondomen gut auskennen, kommt man auch auf bessere Zahlen. Frauen, die ihren Zyklus mit der symptothermalen Methode beobachten und in der fruchtbaren Zeit Kondome verwenden, erzielen einen Kondom-Pearl-Index von 0,6.
Wird die Studie mit einer kleinen Gruppe von planlosen Menschen durchgeführt, erscheinen Kondome viel unsicherer. Diese Studien geben einen Pearl-Index von 12 an.
Die Sicherheit von Kondomen hängt von dir bzw. deinem Partner ab – bist du Gewissenhaft und tendenziell vorsichtig oder hast du eine Einstellung à la wird schon schiefgehen und wenn wir es mal weglassen, auch okay?
Als Faustregel gilt: Je besser du dich mit einer Verhütungsmethode auskennst, desto sicherer kannst du diese anwenden.
Das gilt für die Pille genauso wie für Kondome.
Was der Pearl-Index nicht beantwortet
Die Unterscheidung zwischen Methoden-PI und Anwendungs-PI hilft schonmal, einen Teil der eingangs erwähnten Fragen zu beantworten. Offen bleiben noch die folgenden Fragen.
Wieviel Sex hatten die Frauen eigentlich in dem Jahr und wieviele Frauen wurden beobachtet?
Die Sexhäufigkeit versucht man durch Randomisierung zu relativieren: Bei der Studie werden möglichst viele Frauen aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten beobachtet. Manche dieser Frauen haben selten Sex, andere fast täglich. Dadurch erhält man aussagekräftige Durchschnittszahlen.
Voraussetzung ist immer eine ausreichend große Gruppe. Dafür gibt es beim Pearl-Index leider keine Vorgaben.
Wie zufrieden waren die Frauen mit dem Verhütungsmittel?
Die Zufriedenheit wird in Studien durch die Ausscheidungsrate erfasst. Diese Zahlen werden aber selten direkt mit dem Verhütungsmittel bereitgestellt. Oder hast du auf einer Kondompackung schonmal gesehen: 10 % aller Kondomanwender haben nach einem Jahr die Schnauze voll?
Allerdings ist die Gesamtzufriedenheit eher unwichtig. Entscheidend ist nur, ob du selbst damit zufrieden bist.
Wie sieht die Langzeitsicherheit und -motivation aus, beispielsweise nach 5–10 Jahren?
Diese wichtige Frage wird durch den Pearl-Index leider nicht beantwortet. Die Pille beispielsweise scheint oft erst nach mehreren Jahren Nebenwirkungen auszulösen. In der Packungsbeilage wird der Libidoverlust als sehr selten eingestuft. Nur 1 von 1.000 Frauen leidet demnach unter weniger Lust. Tatsächlich aber zeigen andere Studien (beispielsweise Prevalence of Sexual Dysfunction and Impact of Contraception in Female German Medical Students), dass die Pille bei einem Drittel aller Frauen zu Sexualproblemen führt. Vielleicht werden zu viele Pillenstudien im ersten Anwendungsjahr durchgeführt, wenn sich Libidoverlust noch nicht breit gemacht hat und nicht eindeutig auf die Pille zurückführen lässt.
Für manche Verhütungsmittel werden sogenannte Life Tables nach Kaplan-Meier aufgestellt. Diese zeigen die Ausscheidungsrate über 5–10 Jahre. Es kann aber recht mühsam sein, an diese Informationen ranzukommen und sollte eigentlich Aufgabe des Frauenarztes sein, sich über die Langzeitmotivation von Verhütungsmethoden zu informieren.
Für dich als Anwenderin bleibt unterm Strich:
Wie dramatisch wäre eine ungewollte Schwangerschaft in deiner jetzigen Lebenssituation? Willst du es bequemer und akzeptierst dafür ein höheres Risiko oder bist du bereit, dich näher mit deiner Verhütungsmethode auseinanderzusetzen? Das betrifft auch die Pille. Weißt du, welche Medikamente, Pflanzen, Wirkstoffe die Pille außer Kraft setzen? Oder wie du vorgehst, wenn du eine Pille an Tag 6 vergisst?
Titelbild: Claudio Schwarz